Anlässlich der Debatte zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz zeigte die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft am 21.6.2023 Flagge für die aktuellen Probleme der Veranstaltungswirtschaft.
Vor dem Bundestag wurde ein sogenannten Nightliner geparkt, der während Tourneen das Zuhause für Musiker und Crew ist. Er bietet auf engstem Raum Schlafplätze, Aufenthaltsräume, Küche, Büro und vieles mehr. Abgeordnete und deren Mitarbeiter:innen waren eingeladen, den Nightliner zu erkunden und sich ein Bild über die aktuellen Arbeitsbedingungen der Veranstaltungswirtschaft zu machen.
Bei der Tourneebus-Aktion waren die Vertreter der Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft Marcel Fery, Mike P. Heisel und Alexander Ostermaier vor Ort. Insgesamt nahmen 63 Abgeordnete und Referent:innen das Angebot wahr und erkundeten das Innenleben des Busses, der von der Coach Service GmbH bereitgestellt wurde. Seit über 20 Jahren stellt Coach Service der Veranstaltungsbranche die modernste und flexibelste Nightliner-Flotte Europas zur Verfügung.
„Wenn jemand selbstständig oder soloselbstständig ist, ist das ein besonders schützenswerter Bereich, da man mit vielen Herausforderungen kämpft, die ein Angestellter nicht hat.“
„Wir sind uns alle einig, was Corona mit uns gemacht hat. Wenn man mit der Veranstaltungsbranche spricht, hört man, dass die Branche noch heute unter den Folgen von Corona leidet, weil Fachkräfte fehlen. Das Thema nimmt die Bundesregierung sehr ernst, mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und anderen Maßnahmen, und hofft natürlich, dass die Veranstaltungswirtschaft davon profitieren kann, sodass wir auch weiterhin viele Konzerte besuchen können. Ich selbst bin ein großer Fan von Konzerten. Wenn jemand selbstständig oder soloselbstständig ist, ist das ein besonders schützenswerter Bereich, da man mit vielen Herausforderungen kämpft, die ein Angestellter nicht hat. Ich werde hier unterstützen“, bekräftigte MdB Alexander Bartz (SPD).
Während des Aktionstags diskutierte die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft intensiv über die aktuellen Schwerpunktthemen – Fach- und Arbeitskräftemangel, Lage der Soloselbstständigen sowie Aus- und Weiterbildung. Thomas Bareiß, bis 2021 Beauftragter der Bundesregierung für Tourismus, hat während der Pandemie die Veranstaltungswirtschaft unterstützt und die Corona-Hilfen ermöglicht. „Ich freue mich, dass die Veranstaltungsbranche diese Aktion vor dem Reichstag durchführt und ich erfahre, wie es der Branche nach dem Neustart geht. Leider fehlen oft die Fachkräfte, und daher ist die Politik erneut gefragt, um Unterstützung gegen den Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt zu leisten.“
Die ungleiche Behandlung von regulär Beschäftigten auf der einen und Soloselbstständigen auf der anderen Seite muss nach Ansicht der Bundeskonferenz sofort beendet werden. „Die jetzige Regelung setzt das Zwei-Klassen-System von Beschäftigten und Soloselbstständigen fort. Soloselbstständige dürfen von Unternehmen häufig nicht beauftragt werden, um nicht dem Verdacht der Scheinselbstständigkeit zu unterliegen“, kommentiert Marcel Fery. Absichtliche Scheinselbstständigkeit kann nach jetziger Rechtsprechung strafrechtliche Konsequenzen haben. Wenn dem Auftraggeber Vorsatz – also Absicht – nachgewiesen werden kann, drohen laut § 266a StGB Geld- oder Freiheitsstrafen für Sozialversicherungsbetrug.
„Jetzt, nach der Pandemie, sollten Politiker:innen sich dafür interessieren, wie es der Veranstaltungsbranche geht und wiederum den Selbstständigen und Soloselbstständigen dort.“
„Mich haben zwei Gründe zu dem Nightliner getrieben. Erstens beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit der Situation der Selbstständigen und Soloselbstständigen im Kreativbereich in der gesamten Breite. Zweitens war ich am Anfang der Pandemie dabei, als ‚Alarmstufe Rot‘ auf die Situation der Veranstaltungswirtschaft aufmerksam machte. Jetzt, nach der Pandemie, sollten Politiker:innen sich dafür interessieren, wie es der Veranstaltungsbranche geht und wiederum den Selbstständigen und Soloselbstständigen dort. Konzerte und Veranstaltungen sind nicht etwas Abstraktes, sondern dahinter stehen Menschen, die diese ermöglichen. Deshalb war es mir wichtig, nachzuschauen, wie es Selbstständigen und Soloselbstständigen in dieser Branche geht“, so MdB Dr. Petra Sitte (DIE LINKE).
Für MdB Stefan Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) war es ein kurzer, knackiger Austausch. „Wir haben uns heute über wichtige Forderungen und den in Deutschland herrschenden Arbeitskräftemangel, nicht nur den Fachkräftemangel, unterhalten. Deshalb müssen wir uns dafür einsetzen, wie wir genügend Arbeitskräfte für die Veranstaltungswirtschaft bekommen und die ungelösten Fragen der vielen Soloselbstständigen als wichtigen Teil der Veranstaltungsbranche durch Bürokratieabbau unterstützen.“
Der Veranstaltungsbranche fehlen ca. 400.000 Arbeits- und Fachkräfte. Wenn es den Unternehmen nicht gelingt, diese Lücke zu schließen, wird Deutschland nicht mehr in der globalen Spitzenliga bei Konzerten, Events, Messen oder sonstigen Veranstaltungen mitspielen können. Die deutsche Veranstaltungswirtschaft steht international für Qualität und Professionalität, nicht zuletzt durch ein von der Branche entwickeltes Ausbildungsprogramm.
„Es gibt nach wie vor nicht genügend förderfähige Weiterbildungsmaßnahmen, die inhaltlich auf die Veranstaltungsbranche zugeschnitten sind. Auch die Bindung der Förderung an die etablierte Bildungsträger erschwert der Branche die Nutzung. Hier wäre neben dem Abbau bürokratischer Hürden wünschenswert auch zertifizierte IHK-Lehrgänge und veranstaltungsspezifische Anbieter von Fortbildungen zuzulassen. Die Voraussetzung, dass Unternehmen für das Qualifizierungsgeld einen Tarifvertrag oder entsprechende Betriebsvereinbarung vorweisen müssen, ist ein weiteres Hemmnis, da nur wenige Betriebe der von Kleinstunternehmen und KMUs geprägten Branche über solche Vereinbarungen verfügen“, bewertet Alexander Ostermaier die Lage.
26 % der Ausbildungsbetriebe erhalten schon gar keine Bewerbungen mehr.
Eine Studie ergab, dass ca. ein Drittel der Unternehmen nicht alle ihrer angebotenen Ausbildungsplätze besetzen konnten. 26 % der Ausbildungsbetriebe erhalten schon gar keine Bewerbungen mehr. Vor allem die Branchen Gastronomie, Bauindustrie und Verkehrsbereich haben Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen. Das betrifft auch die Veranstaltungswirtschaft, zumal eine Ausbildung Zeit in Anspruch nimmt. Daher muss die Branche auf Zuwanderung setzen.
„Die Branche hat uns sehr eindrucksvoll geschildert, wo ihre Probleme liegen, vor allem in der Frage, wo bekommen wir neue Unterstützer, Fach- und Arbeitskräfte her.“
Unterstützung signalisierte MdB Jana Schimke (CDU: „Die Branche hat uns sehr eindrucksvoll geschildert, wo ihre Probleme liegen, vor allem in der Frage, wo bekommen wir neue Unterstützer, Fach- und Arbeitskräfte her. Die Bundesregierung wird diese Woche ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschieden, als Folge dessen, was wir als Union schon in der letzten Legislaturperiode gemacht haben. Unsere Kritik besteht jedoch darin, dass man an den bestehenden Problemen, nämlich den langen Verfahren und der großen Bürokratie, bis man ein Arbeitsvisum bekommt, nicht großartig etwas ändert, sondern lediglich die Kriterien herunterschraubt. Wir wissen noch nicht, ob das Gesetz am Ende Wirkung zeigen wird, wir hoffen es jedoch, und werden als Union weiterhin unsere Punkte geltend machen.“
Konsens kam von MdB Pascal Kober (FDP) „Der Fachkräftemangel macht uns alle ärmer, das habe ich heute hier live diskutieren können mit der Veranstaltungswirtschaft. Wir erleben, dass geplante Veranstaltungen abgesagt werden müssen, weil keine Security da ist, weil Stagehands fehlen und die Technik nicht mehr aufgebaut werden kann. Das macht uns alle ärmer, deshalb machen wir als Bundesregierung ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz und hoffen, dass Arbeitnehmer und Fachkräfte nach Deutschland kommen wollen. Das ist die Kehrseite der Medaille. Wir machen die Tür auf für talentierte und motivierte Arbeitskräfte, aber sie müssen auch kommen. Da sind wir als Gesellschaft alle gefragt, und wir müssen eine Willkommenskultur für die haben, die mit anpacken wollen, damit wir alle nicht noch ärmer werden.“
Eines der Themen im aktuellen Forderungskatalog der Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft ist der steuerliche Freibetrag für Betriebsveranstaltungen. Für Betriebsveranstaltungen wird ein steuerlicher Freibetrag von 110 Euro gewährt. Soweit die aufgeführten Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmendem Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.
Die geltende Freigrenze für Betriebsveranstaltungen wurde seit 2001 nicht angepasst!
Eigentlich sollte der Betrag bereits 2014 von 110 Euro auf 150 Euro erhöht werden (Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften). Eine Erhöhung ist jedoch nicht erfolgt. Aufgrund der Preissteigerungen in den letzten Jahren, insbesondere in den vergangenen Monaten fordert die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft eine Erhöhung auf 300 Euro des steuerlichen Freibetrags und erhält Unterstützung von MdB Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher und Obmann im Finanzausschuss für die FDP-Bundestagsfraktion.
„Ich habe bei der Veranstaltungswirtschaft zu Gast sein können und mir ansehen können, wie es so im Tourbus ist. Das war schon beeindruckend. Wir haben einige Gemeinsamkeiten, die wir miteinander besprechen müssen, wie zum Beispiel Freibeträge für Firmenveranstaltungen, aber auch die Soloselbstständigkeit und die Frage danach, wie man hier rechtssicher werden kann. Wir versuchen, hier Lösungen zu finden.“
Die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft hat mit dieser Aktion neue politische Kontakte geknüpft und den Abgeordneten viele wertvolle Einblicke in Branche liefern können.
„Wir haben uns über die positive Resonanz und das große Interesse seitens der Abgeordneten und Referent:innen an unserer Veranstaltung gefreut“, resümierte Mike P. Heisel. Marcel Fery fügt an: „Es war uns wichtig, ihnen einen Einblick in die Arbeitswelt der Veranstaltungsbranche zu geben und auf die dringenden Herausforderungen hinzuweisen, mit denen wir konfrontiert sind.“ Für Alex Ostermaier war der Austausch äußerst konstruktiv und er hofft, dass diese Aktion zu einem besseren Verständnis für die Bedürfnisse und Anliegen der Branche beiträgt.
Die Bundeskonferenz Veranstaltungswirtschaft setzt sich für die Interessen und Belange der Veranstaltungsbranche ein und vertritt die Anliegen von Unternehmen, Selbstständigen und Beschäftigten in diesem Sektor. Mit der Tourneebus-Aktion am Bundestag wurde ein wichtiger Schritt unternommen, um die Aufmerksamkeit der Politik auf die aktuellen drängenden Probleme der Branche zu lenken.